Die Decke sah aus wie immer, der Tag war wie immer. Heute war Donnerstag. Niemand würde heute kommen…Nikolai sah sich eine Fernsehsendung über die neusten Bauten in Moskau an. Er stellte sich vor, wie er durchlaufen würde. Er würde gerne aufs Maslenitza Fest gehen. Er träumte, wie er über den roten Platz ging, die Buden ansah und was würde er essen wollen?
*Erstmal ein Blini mit Lachs…..dann ein Blini mit Fleisch…..und zum Abschluss ein Blini mit Schokoladencreme…oder nein….gezuckerte Kondensmilch….oder beidem ? Nein beides ist zuviel.
Die Sendung war beendet. Nun folgte eine Sendung über die neusten landeswirtschaftlichen Entwicklungen in der Ukraine. Nikolai war fasziniert von den Maschinen. Sie machten fast alles autark und wurden nur von ein paar Netrunnern gesteuert.
„Ich könnte doch Netrunner werden?“. „Nikolai, es wäre einfach zu teuer...wir müssen deine Behandlung selbst bezahlen, da sie sagen, du hättest keine Möglichkeit jemals ohne Hilfe zu leben. Und es ist nicht möglich…Die Teile, die du vertragen würdest, müssten aus dem Ausland importiert werden, das können wir uns nicht leisten. “ Nikolai las dennoch alles über das Netrunning was er finden konnte. Es verwirrte ihn oft, denn Netrunner brauchten Anschlüsse um sich zu verbinden. Nikolai ist mehr als einmal aufgefallen, dass er sich verbinden konnte, wann er es wollte. Seine Eltern taten dies als Spinnerei ab……die Krankenschwestern wollten nichts lesen, was er schrieb und der Arzt, der ab und an mal vorbei schaute, ignorierte alles, was nicht mit seinem Gesundheitszustand zu tun hatte.
*Ich glaube ohne virtuell rausgehen zu können, wäre ich schon durchgedreht.
Nikolai erinnerte sich an seine erste Erfahrung. Er war noch ein Kind. Er sah unheimlich gerne Ratafak Plachta. Auch wenn er anders war, fand er überall Freunde. Nikolai wäre gerne genauso. Als die Sendung zuende war, wollte er so gerne noch eine Folge sehen.
Er trat aus seinem Kopf heraus in die Cyberwelt ein. Er schaute an die Zimmerdecke und sah plötzlich ein helles Licht. Ein seltsames Geräusch …was war das? Er sah die virtuelle Datenwelt. Instinktiv ging er weiter. Er merkte, wie leicht er sich bewegen konnte. Er raste durch das Netz und genoss es. Hier waren Angebote, dort war etwas zum Schalten…
Nachdem er sich etwas beruhigt hatte, schaute er weiter. Er lernte langsam, dass er die kleinen Datenströme beeinflussen konnte. Er war fasziniert, denn er brauchte keine Hilfe. Er konzentrierte sich auf die Information, die er wollte. Vor ihm flackerten die Informationen auf, nach denen er suchte. Slniečko….Slniečko….er sah die Datenstrukturen…instinktiv logte er sie und befahl dem Netz ihm zu zeigen wo er die Serie findet. Die Spur führte zu einer Sendestation in Prag. Prag, das war doch nicht mal in der Ukraine….*Kannst du das, Nikolai? *Er spürte, wie sein virtueller Körper sich in 1 und 0 auflöste….ja und nein….schneller als das Licht sauste er nach Prag.
Er stand vor dem virtuellen Eingang der Sendestation. Seine Hand langte nach dem Schloss…er spürte eine Anwesenheit. „Na Kleiner? Was willst du hier?“ Jemand anderes materialisierte sich vor ihm. „Eigentlich wollte ich nur noch eine Folge Slniečko sehen…“
„Da mußt du warten, bis sie ausgestrahlt wird.“
„Ich möchte sie jetzt sehen. Wer bist du?“
„Ich bin ein tschechischer SenderOrganisator. Kurz CSO. Wenn du Informationen über unser Programm möchtest, kann ich dir gerne weiterhelfen, aber bitte hab Verständnis, dass ich dir keine Folge geben kann.“
In diesem Moment sah Nicolai die Einzelheiten. Er hatte keinen Menschen vor sich, das war ein künstliches Wesen. Nikolai wollte rein…es musste doch irgendwie gehen….es war als würden sich die Informationen vor ihm ausbreiten. Instinktiv wollte er den Willen dieser KI finden.
Er wusste instinktiv, was er tun musste um diese KI zu steuern, denn sehr intelligent und komplex war sie nicht. Sie organisierte das TV Programm, beantwortete Zuschaueranfragen und hatte einen Blick auf die Firewall, aber Nikolai sah genau, wie er in sie eindringen konnte. Seine Fähigkeit zeigte ihm einen mäßig gesicherten Eingang. Er könnte sich verkleiden. Schnell griff er die KI und drang in ihren Verstand.
Er übernahm ihre Kontrolle und wurde eins mit ihr. Er fühlte die Angst der KI, als er sie im Arm hielt. Leiste flüsterte er: „Ich tu dir nichts…ich möchte doch nur noch eine Folge von Slniečko sehen….“ Die KI führte ihn durch das Tor hinter die Absicherung. Er sah einen Netrunner und instinktiv versteckte er sich in der KI. Der Netrunner beachtete ihn nicht. So schlichen er und die KI zu den Speichern der Sendestation.
„Hier.“ Die KI wies auf den Platz, an dem die Slniečko Folgen gespeichert waren. Nikolai hob seine Hand und zog die Daten zu sich. „Nein, nein, du kannst sie nicht haben….nicht so….“ Die KI machte eine Kopie und legte die Originale wieder zurück. „So…schau?“ Nikolai lernte, wie er Kopien machen konnte. Es ging wohl doch nicht alles instinktiv.
Unbemerkt verließen sie die Station wieder. Da er nicht gesehen werden wollte, verwischte er seine Spuren ohne darüber nachzudenken wie er das eigentlich tat....
Jetzt wieder den Weg zurück ins Krankenhaus finden…..war er denn sicher wieder in seinen Körper zu kommen? War er noch am leben? Vielleicht ist er gestorben? Aber dann müssten hier noch andere sein….
Er fand den Weg zurück und wusste wie er sich ausloggen musste. Er riss die Augen auf und sah seine Mutter. Sie streichelte seine Wange. „Hast du was schönes geträumt, Nikolai?“ Nikolai fühlte sich das erste mal richtig wohl.Er musste lange unterwegs gewesen sein, denn Donnerstags kam seine Mutter nie.