Ace 'Madstone‘ Baker

Reporterin

Schwarzmarkthändler

„Ich soll Ihnen also meine Lebensgeschichte erzählen?“ Ace lehnt sich auf dem Sofa zurück. „Ja bitte.“ Ace schnaubt verächtlich. „Was gibt’s da gross zu erzählen.“ „So ausführlich wie möglich, bitte.“ Misstrauisch kneift Ace ein Auge zusammen, dann zuckt er mit den Schultern. „Wo soll ich anfangen?“ „Von Anfang an.“ Er legt die Arme auf die Rückenlehne der Couch und atmet langsam ein. „Na schön. Ich war früher, als meine Eltern noch lebten auf einer Privatschule. War jetzt keiner der besten, aber im Vergleich zu der Staatlichen ein Himmel auf Erden. Wir wohnten in einem Block. War ganz okay. Und hätten meine Eltern nicht für die Schule so viel hinblättern müssen, hätten wir vielleicht sogar ein schöneres zu Hause gehabt. Aber naja. Ihnen war wohl wichtig, dass ich was aus mir mache…“ Bei diesem Gedanken lehnt Ace sich vor uns stützt die Unterarme auf die Knie. „2058, ich war elf, war ich auf dem Weg nach Hause. Ich weiss noch, dass es geregnet hat und alle sich beeilten ihm zu entkommen. Ist ja nicht ganz ungiftig der Drek. Ich kam also zu Hause an und rufe den Aufzug. Der kam aber nicht. Deshalb hab ich die Treppe genommen. Im achten hab ich dann schon Stimmen gehört. Ein Kerl, der klang ziemlich ungeduldig und eine Frau die ihn versuchte zu beruhigen. Hab mir da noch nicht viel bei gedacht. Als ich um die Ecke kam, sah ich da die beiden Lone Stars vor unserer Tür stehen. Die haben mich angegafft, als wär ich von ‘nem anderen Stern. Die Frau, naja, die Elfe, war ganz nett. Der Andere war eher so der Hurensohn-Typ. Die haben mich dann gefragt ob ich der bin den sie suchen und ich hab genickt. Die Elfe, Stone hiess sie glaub ich, hat mir dann gesagt sie wollen mit mir über meine Eltern reden. Spätestens da war ich mir ganz sicher, dass irgendwas passiert war. Freeman, der Idiot, hat dann die Tür aufgeschlossen, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre. Ich wusste schon seit über einem Jahr, wie ich in die Wohnung komme. Drinnen, hat Stone sich dann mit mir hingesetzt und mir erzählt, dass meine Eltern einen Unfall hatten. Son zugechipter Vollidiot, ist mit seiner Karre in ein billiges Restaurant gekracht. Hat die ganze Glassfront vernichtet und naja… Meine Eltern sassen da und haben zusammen Mittag gemacht. Sie kamen nicht davon…“ Ace macht eine Pause und starrt vor sich auf den Boden. Er sieht zu seinem Gegenüber auf. „Aber das hab ich erst später erfahren. Stone sagte mir damals nur, dass sie tot sind und ich nun mit ihnen gehen müsse. Das ging dann alles recht schnell. Ich wurde in ein Heim gesteckt. Bekam nur das nötigste aus der Wohnung mit in mein neues beschisseneres Leben und das war’s dann mit dem guten Jungen mit den guten Noten und all dem Drek. Das Heim hatte natürlich nicht besonders viel Geld. Haben von Spenden und ein paar wohltätigkeits Kons gelebt. Aber da waren eine Menge Kinder, die alle essen und trinken wollten. Und damit das Heim nicht wie der totale Hinterwäldler Verein da stand, schickten sie uns auf eine staatliche Schule. Und das, Chummer, war wirklich das aller Letzte.“
Ace setzt sich auf. Sein Gesichtsausdruck zeigt eine finstere Mine, als er sich an die Zeit dort erinnert. „Ich hab gehört es gibt auch staatliche die ganz in Ordnung sind. Aber so ein Glück hatte ich nicht. Die Lehrer waren alle unterbezahlt und dementsprechend Motiviert. Erst hatte ich dort überhaupt keine Freunde. Im Gegenteil. Sie hassten mich dafür, dass ich mal ein ‚besseres Leben‘ gehabt hatte. Ich hab anfangs gar nicht gecheckt was die alle hatten. Ich war verdrekte elf Jahre alt und so naiv. Gute Noten schreiben? Wäre ja kein Problem gewesen, das Niveau war weit unterhalb dem, was ich auf der Privaten leisten musste. Aber he, wenn man auf der Staatlichen als Streber gilt, hat man verloren. Gelernt hab ich das von einem Troll. Cullen hiess er. Er war wie ich, ein Aussenseiter. Etwas älter aber voll in Ordnung. Er lebte im selben Heim. Lernten uns aber erst in der Schule richtig kennen. Naja gut, eigentlich waren die meisten auf dieser Schule Aussenseiter, Nichtsnutze, die die niemand haben will und weder eine geregelte Zukunft noch sonst was in der Tasche hatten. Aber viele hatten sich in Gruppen zusammen getan, meistens auch mit nem Anführer den sie anhimmelten. Ob die das bloss gemacht haben um nicht allein dazustehen, weiss ich nicht. Ein schlechter Plan wäre es wohl nicht gewesen, aber Cullen und ich, wir entschieden uns, uns fernzuhalten. Jedenfalls, musste ich auf dieser Schule alles andere lernen als Mathe oder Geschichte. Mir wurde sogar wärmstens empfohlen, mir eine Waffe zuzulegen. Sei’s ein angespitztes Lineal oder nur eine Schere. Was soll man da denken? Ich war Elf. Die Klassenzimmer waren immer halb leer. Viele von den Schülern, schwänzten. Aber wer kann ihnen das verübeln. Gelernt hat man sowieso kaum was. Der Stoff war zäh und langweilig, ebenso das Lehrpersonal. Es gab keinen einzigen der sich auch nur im Mindesten für die Kinder interessiert hatte. Und es war ihnen auch scheiss egal ob alle da waren oder nur einer im Raum war.“

Ace sucht sich eine neue bequemere Sitzposition aus und fährt fort. „Mit zwölf, dreizehn, als ich dann wusste wie es läuft, hab ich mich der Menge gebeugt und bin nicht mehr in die Schule gegangen. Cullen hingegen schon, und so trennten sich unsere Wege für einige Zeit. Wir sahen uns schon noch. Im Heim. Aber das war’s auch schon. Ich kam oft viel zu spät zurück. Dann wenn eigentlich schon längst Ausgangssperre und Schlafenszeit war. Statt mich von den Schülern abstechen oder halb tot prügeln zu lassen, hab ich mir die Stadt angesehen. Mit dreizehn, kann das ein gefährliches Pflaster sein. Hab eine Menge Dinge gesehen. Von den Junkies auf der Strasse, über die ganzen Stricher und Dealer… Aber man lernt da auch was. Nämlich, dass man keinem trauen kann. Ich hielt mich deshalb überwiegend bedeckt. Ging den Leuten aus dem Weg. Hatte dann auch langsam ein Gefühl dafür unbemerkt zu bleiben. Natürlich hatte ich aus dem Heim auch ein KidLink. Hatte die Form eines langweiligen grauen Kästchens. Das Ding hab ich dann auch immer mal wieder verloren, wenn Sie verstehen. Das hat den Erziehern im Heim nicht besonders gut gefallen. Die waren übrigens ähnlich wie die Lehrer auf der Staatlichen. Nicht ganz so desinteressiert und auch oftmals besorgt, aber viel mehr Lohn hatten sie nicht, und mehr als das nötigste haben sie auch nicht getan. Trotzdem gab’s regelmässig Anschiss, wenn ich zu spät kam oder mal wieder raus kam, dass ich das ach so teure KidLink ‚verlegt‘ hatte. Hätte ich das Teil behalten, hätten sie bestimmt angefangen nach zu forschen, wo ich mich herumtreibe und mich womöglich noch eingesammelt. Das Risiko wollte ich damals nicht eingehen. Aber was wollten sie schon dagegen machen. So motiviert waren die Erzieher dann doch nicht. Sie bestraften mich mit Hausarbeiten und sperrten mich ein. Dabei war ich nicht der einzige, der sich ab und an davon geschlichen hat. Ich kann dazu nur sagen: Das Heim, die Schule, das Leben… war alles zum kotzen. Und das mit dreizehn festzustellen war… naja. Man bekommt da eben nicht das Gefühl, dass es jemals besser werden könnte.“ Ace sieht auf die Uhr. Es bleiben noch ein paar Minuten ehe die Sitzung vorbei ist. „In dem Jahr, 2060 war das glaub ich, hab ich Sam kennengelernt. Von ihm wissen Sie ja. Er war für mich wie ein Vater. Nicht von Anfang an, das nicht, aber er wurde es mit der Zeit. Er war Detektiv. Im Alleingang. Er kannte eine Menge Leute, für die er irgendwelchen Sachen nach ging um über die Runden zu kommen. Eines Tages, als ich wieder mal auf direktem Weg von der Schule weg ging, hab ich ihn gesehen. Er sah ganz unscheinbar aus. Wenn man aber genau hinsah, bemerkte man, dass er etwas im Schilde führte. Er brach in ein Haus ein und ich wartete. Irgendwie war ich neugierig. Wollte wissen was es in einer solchen Bruchbude, in die er eingestiegen war, zu holen geben könnte. Aber als er nach längerer Zeit immer noch nicht wieder heraus kam, entschied ich mich, nach zu sehen. Das war so ziemlich die verdrekteste und zu gleich beste Idee die ich je hatte. Ich erfuhr später, dass in dem Haus einer gewohnt hatte, der etwas geklaut hatte. Sam sollte dafür Beweise sammeln ohne Aufsehen zu erregen. Irgendwas ging drinnen jedoch schief. Der Verdächtige, ein Zwerg mit verchromtem Schädel, flüchtete aus dem Gebäude. Er hatte eine Knarre. Dummerweise stand ich im Weg und er schoss mir ins Bein. Das ging so schnell, ich konnte gar nicht darüber nachdenken was passiert war, als schon der Schmerz die Oberhand gewann. Sam, hatte mich gesehen, rannte an mir vorbei und ich dachte schon ‚Scheisse, jetzt lässt mich das Arschloch hier einfach verrecken‘. Doch er hielt am Ende der Gasse an und kam humpelnd zurück. Während er mir half, schimpfte er mit mir. Ich hätte alles vermasselt und wenn ich nicht gewesen wäre, hätte er den Zwerg noch erwischt. Die Hälfte davon war spanisch, hauptsächlich das Gefluche, deshalb verstand ich auch gar nicht alles. Aber ich konnte an seinem Tonfall hören wie angepisst er war. Und trotzdem hat er mir geholfen. Da erst fiel mir auf, dass es das erste Mal in meinem Leben war, das mir jemand half! Aus reiner Herzensgüte! Naja, es klang zwar nicht so, aber irgendetwas musste ihn ja bewegt haben um mir zu helfen. Viel gebracht hatte es ihm ja nicht. Ausser n Haufen Kohle die den Bach runter ging für mich. Von da an, ging ich immer zu Sam, wenn ich es schaffte aus dem Heim zu kommen. Ich erzählte ihm auch von meinen Problemen. Er machte immer den Eindruck, dass er gar nicht zu hörte und erledigte nebenbei Dinge für sein Geschäft. Aber immer dann, wenn ich schon fast aufgegeben hatte, kam er mit einem Rat um die Ecke. Erst nur sehr spärlich. Dann zeigte er mir sogar wie ich verschlossene Türen aufbekommen konnte. Von da an, hatten die Erzieher keine Chance mehr.“ Ace strahlt jetzt. Gedanken an diese Zeit, machen ihn immer Glücklich. Es war die beste die er je hatte. Er will gerade ansetzten um weiter zu erzählen, als er unterbrochen wird. „Das war’s für Heute. Vielen Dank. Wir fahren in einer Woche fort.“

Wieder auf der Couch, fragt Ace: „Wo war ich stehen geblieben?“ „2060. Bei Samuel Mason.“ Ace nickt nachdenklich. „Richtig… Mit sechzehn, fingen die Erzieher dann langsam an Druck zu machen was die Ausbildung anging. Aber ganz ehrlich, das ging mir am Arsch vorbei. Alles was ich können wollte, lernte ich von Sam. Aber ich begriff, dass ich irgendwie an Geld kommen musste. Schliesslich wusste ich, dass mich das Heim mit achtzehn auf die Strasse setzten würde. Und die paar Mücken die Sam mir gab, wenn ich ihm bei irgendwas geholfen hatte, reichten nicht. Darüber hatte ich auch mit Cullen geredet. Mittlerweile hatte er sich einer Gang angeschlossen. Keine Grosse, aber mit genug Aufträgen. Das bedeutete auch, dass er kaum, dass er da drin war, aus dem Heim raus war. Er hatte sogar eine kleine Bude in die er mich auch mal einlud. Ich war ziemlich überwältigt. Ich meine, er hatte wie ich, weder eine Ausbildung noch n richtigen Job und wohnte fast schon luxuriös. War meine Meinung. Es war jedenfalls mehr als ich mir je vorgestellt hätte. Und es motivierte mich. Immerhin war er aus dem verdrekten Heim raus und ich sass noch immer dort fest. Also hab ich ihn ein wenig ausgequetscht. Es stellte sich heraus, dass er sich seinen Lebensunterhalt mit Dealen verdiente. Nicht mit dem miesen Zeug, sondern mit Designerdrogen, Speed, Tranquilizer, und so. Mit denen kann man, wenn man sie, lebend, an die richtigen Leute bringt, richtig fett absahnen. Hab ihm dann angeboten ihm dabei zu helfen. Er gab mir ein Teil der Ware ab, und ich zog los um sie an den Mann zu bringen. Wir hatten beide was davon. Er schaffte doppelt so viel Kohle für die Gang an und ich bekam meinen Anteil. Ich kannte auch schon ein paar potentielle Kunden. Abgesehen von den Slots im Heim, waren da auch noch die Kontakte von Sam. Cullens Gang wurde dann irgendwie neugierig. Sie wollten wissen wie er es schaffte, so viel Kohle zu machen. Und da ich ihn nie über den Tisch gezogen, sondern die ganzen Nuyen immer brav zurück gebracht hatte, legte Cullen bei ihnen ein gutes Wort für mich ein. Also hab ich eine Weile, offiziell, die Drogen verdickt. Erstmal nur die ganz armen Penner die es sich noch leisten konnten. Das war einfach. Wenn sie schon süchtig sind, bezahlen sie fast jeden Preis. Und die empfehlen einen dann auch weiter, wenn man richtig mit ihnen umgeht. Ganz neue Typen kann man dann auch gepflegt mal über den Tisch ziehen. Zumindest die, denen man auf zweihundert Meter Entfernung ansieht, dass die das Zeug zum ersten Mal probieren, merken dass es zu heftig ist, und dann nie wieder kommen. Es gab Monate, in denen hab ich richtig viel Umsatz gemacht. Es ging mir sogar richtig gut. Und um dafür zu sorgen, dass das auch so blieb, hab ich auch die ganzen Bonuszahlungen zur Gang zurück gebracht. Die waren so begeistert, dass sie mir BTLs zuschoben um sie an die etwas besser bezahlten Bürger der City zu verkaufen. Dafür musste ich ein wenig investieren. Hab mir von meinem gesparten, nen Anzug und einen gepflegten Haarschnitt beschafft und bin in die guten Clubs marschiert.“ Ace lehnt sich sichtlich stolz zurück. „Haben Sie je selbst konsumiert?“ Ace hebt nachdenklich den Blick. „Jjjjjja.“ Sagt er und schürzt die Lippen. „Aber erst später.“ „Hat Samuel Mason davon gewusst?“ „Von der Gang? Nein. Ich bin mir zwar sicher, dass er etwas gemerkt hat. Immerhin war ich plötzlich viel besser drauf, kam mit neuen Sachen daher. Konnte mir sogar endlich n eigenes Kommlink leisten, mit Sim-Modul und Troden. Aber gesagt hatte er nie was. Das tat er eigentlich nie. Behielt seine Meinung oft für sich. Das hatte Vor- und Nachteile. Er lies mich in so ziemlich jedes vertretbare Fettnäpfchen treten und sorgte so dafür, dass ich daraus lernte. Das war nicht immer lustig. Neben meinen kleinen Gangaktivitäten, hab ich natürlich immer noch Sam geholfen. Ich lernte also zeitgleich nicht nur wie mit Metamenschen umgehen, um zu bekommen was ich will, sondern verbesserte auch meine Fähigkeiten im Knacken von Schlössern und das Unbemerkt bleiben. Ausserdem hab ich auch dieses besondere Talent, in der Masse unterzugehen. Was wirklich nützlich ist, wenn mal wieder einer hinter einem her ist. Später hab ich diese… Gabe etwas weiterentwickelt. Wie verrat ich hier aber nicht.“ „Haben Sie diese Gabe, wie Sie es nennen, selbst entdeckt? Oder hat Mr. Mason Sie darauf gestossen?“ Ace grinst. „Sie meinen wegen der Fettnäpfchen? Vielleicht. Sam hat mir eigentlich nur drei Dinge bewusst beigebracht.“ Ace zählt mit den Fingern auf. „Verschlossene Türen umgehen, unauffällig bleiben und Gitarre spielen. Das überrascht Sie, nicht wahr? Ich hab’s selbst nicht geglaubt, als ich herausfand, dass er musikalisch ist. Aber er war richtig gut. Und es war auch mehr ein Zufall. Er spielte eigentlich nur, wenn er alleine war. Und ich, der mir jeden verdammten Rock-Chip reinzog, den ich kriegen konnte, war natürlich begeistert. Also hab ich ihn überredet mir ein bisschen was zu zeigen. Ich spielte dann ein paar meiner lieblings Songs nach. Die waren dann nicht mehr ganz so Sams Geschmack. Er war mehr so der ruhige Typ.“ Versonnen schaut Ace vor sich hin. „Sie sagten vorhin ‚bewusst beigebracht‘…“ Verwirrt sieht Ace sein Gegenüber an. Dann erinnert er sich. „Ach so. Ja. Da war noch seine Sprache. Die hat er mir nicht wirklich beigebracht. Sondern die hab ich einfach irgendwie aufgeschnappt. Viele seiner Kontakte sprachen ebenfalls Spanisch. Und es war für mich ganz nützlich ab und zu. Für mein Business mein ich. Comprende?“ Ace grinst verschmitzt.

„Was ist danach passiert?“ Ace überlegt. „Naja 64 hab ich das Heim frühzeitig verlassen. Ich hatte genug Kohle für ne kleine Bude. Hat sich im Nachhinein irgendwie als Fehler entpuppt. Aber hey, ich war jung. Man nannte mich Madstone. Ich war der Glücksbringer aller Drogenjunkies. Und ich hatte ein ziemliches Hoch. Fühlte mich unbesiegbar. Aber als Ende Jahr der Crash kam, änderte sich das schlagartig. Von den Ausnahmezuständen muss ich Ihnen ja nichts erzählen. Anfangs ging ich mit Cullen und der Gang auf Streifzug. Wir haben versucht Nahrung zu ergattern. Was anderes hatte kaum noch gezählt. Ausser zu überleben. Ich hatte im Leben noch nie so viel Schiss gehabt wie damals. Und dann starb Cullen… Grade mal zwanzig. Danach hab ich die Gang verlassen. Hab mich in meiner Wohnung verschanzt und mich der Suche nach Sam gewidmet, den ich seit November nicht mehr gesehen hatte. Erst als die neue Matrix hoch fuhr und sich langsam aber sicher wieder alles beruhigte fand ich ihn. Ich konnte endlich das verdrekte Schloss an seiner Wohnungstür öffnen. Darin das reinste Chaos. Ausbruchsspuren an der Tür die ohne Strom nicht zu öffnen gewesen war. Und dieser Gestank. Ich fand ihn in seinem Schlafzimmer. Tot. Ich war…“ Ace stoppt. Er massiert sich die Finger und starrt auf den Tisch vor sich. Es vergeht einige Minuten, bis er das Bild seines verstorbenen Freundes aus dem Kopf bekommt und weiter sprechen kann. „Ich hab alles, was ich aus der Wohnung gebrauchen konnte, mitgenommen. Und danach fing der Neustart an. Und weil ich, so wie alle anderen, so gut wie nichts mehr hatte, und ich keinen Antrieb fand das zu ändern, fing ich an zu trinken. Ich hatte noch ein halbes Kilo Gras und ein bisschen Koks zu Hause. Das eine hab ich geraucht, das Andere vertikt. Danach blieb ich beim Alkohol. Dann folgte der totale Absturz. Ich hatte keine Kohle, keinen Job, musste mein zu Hause aufgeben. Das einzige was ich behalten habe, waren Sams Sachen, die ich versteckt hatte.“

„68 traf ich auf Widely. Sie schrieb grade an einer Story über die Nachwirkungen des Crashs. Naja, über die, die es nicht geschafft hatten neu anzufangen. Und wie es der Zufall wollte, befragte sie mich auf der Strasse. Ich sah aus wie der letzte Penner. Keine Ahnung was sie dazu bewegte mich erneut aufzusuchen. Aber naja, sie hat halt ein grosses Herz. Aus meiner Verzweiflung, und weil sie die einzige freundliche Person in den letzten vier Jahren war, erzählte ich ihr von dem Heim, der Gang und Sam. Was sie scheinbar so mitgenommen hatte, dass sie mich regelmässig besuchte. Ich fing an mich richtig auf sie zu freuen. Widely wurde zum einzigen in meinem Leben was mich oben hielt. Und nachdem ich ihr das gestanden hatte, nahm sie mich mit in ihr zu Hause. Meine Fresse hab ich mich nutzlos gefühlt. Deshalb, und weil ich das, was ich ihr für essen und ein Dach über dem Kopf schuldete, zurückgeben wollte, suchte ich mir neue Arbeit. Erst nur schleppend. Hauptsächlich trieb ich Zeug auf, was andere haben wollten. Dabei lernte ich dann auch so ne Gruppe kennen. Sie werden nicht so gern als Gang bezeichnet. Für die hab ich dann ein paar Informationen besorgt. Sie wissen schon, ein paar schmutzige Geheimisse und was sich sonst noch so lohnte zu verkaufen. Und als ich dann wieder flüssig war und es bergauf mit mir ging, ging es mit Widely bergab. Ach ja, hab ich erwähnt, dass wir zusammen waren? Jedenfalls, ertrug sie es schlussendlich nicht, dass ich das trinken nicht sein lassen konnte. Ich weiss auch nicht. Womöglich nahm sie es irgendwie persönlich, dass ich nach getaner Arbeit zu meinem lieblings Barkeeper Token ging um mich mit einem Whisky oder zwei zu belohnen, statt zu ihr nach Hause zu kommen. Dabei war das gar nicht so gemeint. Ich hab sie trotzdem geliebt. Glaub ich…“ Ace lächelt verlegen. „Sicher ist, dass sie mit mir darüber gesprochen hatte, ich danach die Wohnung verliess und mir was Eigenes suchte. Wir haben nicht gestritten oder so, aber danach herrschte eine Weile Funkstille. Mittlerweile verstehen wir uns aber wieder ganz gut.“

„2070 kam ich endgültig in den Schatten und lernte dort Risky kennen. Wir verstanden uns unter anderem so gut, weil er früher ebenfalls mit Drogen gedealt hatte. Aber nicht nur das... er hatte auch sonst eine... ziemlich interessante Laufbahn... Wir konnten uns stundenlang Geschichten erzählen. Jetzt aber ist er auf Spionage Elektronik umgestiegen. Genau das, was ich brauchte. Er zeigte mir ein wenig, wie es da unten lief und ich fand mich schnell zurecht. Sie glauben ja nicht was die Leute für geklauten Kram bezahlten.“ Ace lehnt sich zufrieden zurück. „Und damit bin ich am Ende. Die restlichen fünf Jahre hab ich damit verbracht Kohle zu schäffeln. Zeug beschafft, Zeug verkauft, Kontakte gepflegt. Und nun will ich dafür sorgen, dass es so bleibt.“ „Nun,“ sagt der Elf, auf dem Sessel. „Ich schätze, ich kann Ihrem Anwalt, versichern, dass er sich auf Grund Ihrer Kindheit und dem erschwerten Aufwachsen, keine Sorgen um Ihr Verhalten machen muss.“ „Deshalb war er besorgt?“ fragt Ace beinahe belustigt. „Weil ich ihn als Arschloch beleidigt habe?“ Der Elf überschlägt ein Bein. „Er war der Meinung, Sie würden handgreiflich werden.“ „Ich hab doch nur den Stuhl verschoben.“ Ace verdreht die Augen. „Sie haben ihn an die Wand geschlaudert.“ Gibt der Therapeut zurück. Ace zuckt mit den Schultern. „Na schön. Aber was fällt dem Pisser auch ein, so über Sam zu reden.“ Der Elf schweigt. „Haben Sie Interesse daran, Ihre Erlebnisse aufzuarbeiten?“ Ace starrt den Elf an. „Äh nein. Ich komm zurecht, danke. War’s das jetzt? Kann ich gehen?“ „Ja. Ich werden mich mit Mr. Barton in Verbindung setzten.“ „Und dann ist er nicht mehr angepisst?“ Ace grinst. „Danach kann er sich nicht mehr weigern Ihr Strafverteidiger zu sein, sollten Sie einen brauchen.“ „Na geht doch. Und was ist mit Ihnen?“ Ace betrachtete das emotionslose Gesicht des Elfs. „Mit mir?“ „Erzählen Sie mir jetzt von ihrer Schweigepflicht?“ „Alles was Sie mir erzählt haben, bleibt auch bei mir.“ Misstrauisch kneift Ace die Augen zusammen. „Naja. Ich kenn ein Haufen Leute. Sie würden es bereuen wenn nicht.“ „Keine Sorge.“ Sagt der Therapeut. „Wenn die Sache mit Ihrem Anwalt geklärt ist, wird er den Fall wieder aufnehmen.“ „Der Drek in der Bar. Ich geb‘ zu, ich hab da wohl dem falschen ans Bein gepisst. Aber was soll’s. Wenn Barton sich drum kümmert, ist ja alles gut.“ „Das Angebot steht. Sie dürfen jederzeit wieder kommen.“ Sagt der Elf. Ace steht auf. „Ich denk drüber nach.“ Lügt er, verabschiedet sich und verlässt den Raum.